BEITRAG 1 AINKHÜRN


 

Das ist Günter Wickop mit einem Narwalzahn.

HERM ist während Ihrer Recherche nach einem Narwalzahn, den sie mal anschauen und am besten auch anfassen darf, im Internet auf Herrn Wickops Apotheke in Darmstadt gestoßen. Herr Wickop und HERM sind am 8. August in der Einhorn Apotheke verabredet. Die Apotheke existiert seit 1570 und ist seit 1901 in Familienbesitz. Jedoch ist HERM etwas enttäuscht, keine antike Apotheke mit Holzschubladen vorzufinden. Herr Wickop erklärt, dass die Apotheke im 2. Weltkrieg, wie unzählige Häuser in Darmstadt zerstört wurde und zeigt ein altes Foto, das er in der Universität- und Landesbibliothek Darmstadt gefunden hat. Damals stand die Apotheke in der Altstadt gegenüber der Stadtkirche. Das gesamte Haus ist im Krieg abgebrannt.

Günter Wickop ist ein wacher, im besten Sinne neugieriger Mensch, der HERM im weiteren Verlauf der gemeinsamen Kommunikation mit Fotos versorgt. Das kooperative Interesse gilt dem Einhorn. Bei Herrn Wickop liegt das nah, haben seine Vorfahren doch die Einhorn Apotheke übernommen. Er erklärt HERM, dass es deutschlandweit immer noch 200 Einhorn- Apotheken gibt. Herr Wickop berichtet, dass er vor 12 Jahren einen Anruf von einem Unbekannten bekam, der einen Narwalzahn anbot. Der Mann war ein Professor aus Tübingen, dessen gerade verstorbene Frau Einhorn-Fan gewesen war. Herr Wickop wollte den Zahn kaufen. Doch so einfach ist das nicht. Der Narwal ist ein artengeschütztes Tier, dessen Tötung nur noch eingeschränkt den Inuit, den indigenen Bewohnern Grönlands und Alaskas erlaubt ist. Für die Inuit ist das Fleisch vor allem in früheren Zeiten lebensnotwendig gewesen, und für die Jäger unter ihnen ist heute eine Fangquote pro Jahr zulässig. 1982 wurde beschlossen, dass die kommerzielle Jagd, aufgrund der geringen Bestände, gestoppt werden muss. Neunzig Staaten unterschrieben. Japan, Island und Norwegen setzen dies mittlerweile, bei Nutzung juristischer Schlupflöcher, außer Kraft. Hierbei wird die Notwendigkeit der wissenschaftlichen Zweckmäßigkeit des Walfangs als Argument genannt.

Der Professor musste vorab ein Zertifikat erstellen lassen, damit Herr Wickop den Zahn erwerben konnte. Hiermit wurde auch bezeugt, dass der Professor nicht, entgegen dem Artenschutzgesetz, den Wal getötet und dessen Zahn illegal nach Europa eingeführt hatte. 

Doch was hat der Narwalzahn mit dem Einhorn zu tun?
Der Narwalzahn war im Mittelalter wertvoller als Gold, weil die Menschen glaubten er sei das Horn eines Einhorns und quasi der Beweis dafür, dass es das Wunderwesen-Einhorn irgendwo gebe.
Man schrieb ihm fruchtbarkeitsfördernde und antitoxische Wirkungen zu. So gab es in Herrscherhäusern Gefäße aus Narwalzahn. Sollte jemand versuchen einen König oder eine Königin zu vergiften, verfärbe sich das Getränk warnend im Becher oder neutralisiere sich- so glaubten die Menschen damals. HERM fragt den kompetenten Apotheker nach dessen Meinung hierzu: Gibt es Hinweise, dass der Narwalzahn zerstößelt oder zum Becher verarbeitet heiltherapeutische Wirkungen zeigt? Herr Wickop beantwortet HERMS Frage mit einem klaren NEIN. Wenn das also kein Wundermittel ist, nützt der lange Zahn dann wenigstens dem Narwal? Aber sicher!  Forscher haben beobachtet, dass das Tier damit kleinen Fischen einen Hieb versetzt, um diese bewegungsunfähig zu machen. Auch ist anzunehmen, dass der Narwal mit dem Zahn Eis durchstoßen kann und mit Artgenossen kämpft. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Zahn mit seinen unzähligen Nervenbahnen Salzwassergehalt messen und die Menge von Fischen in der jeweiligen Tiefe ausloten kann.

Der Narwalzahn in den Verkaufsräumen der Einhornapotheke misst 215 cm. HERM sieht, dass die Vitrine, in der der Zahn beleuchtet ausgestellt ist, nicht zu öffnen ist. Wie schade! Aber hey, der Faszination tut es keinen Abbruch, dass das hier doch kein echtes Ainkhürn (wörtlich „Ein-Gehörn, Horn des Einhorns“) ist, wie das Horn, Pardon der Zahn, im Mittelalter genannt wurde. Herr Wickop berichtet HERM von dem damaligen Glauben der Menschen, man könne ein Einhorn nur mit Hilfe einer Jungfrau fangen. Die Jungfrau, ein als rein angesehenes Wesen, konnte das Vertrauen des scheuen, schnellen Tieres erlangen, so dass der Jäger es überlisten konnte. Herr Wickop zeigt ein Foto aus dem Dom in Erfurt, das er bei einer Reise gemacht hat. Das Foto zeigt den Mittelteil eines Triptychons, das ca. 1420 angefertigt wurde. Die Katholische Kirche stellt hier den Bezug zur Jungfrau Maria her und stellt das Einhorn als Symbol Jesu dar. Das Einhorn liegt im Schoß der keuschen Jungfrau, eben dort, wo sie sonst Jesus hält. Hier soll auch die Verkündung der jungfräulichen Schwangerschaft dargestellt werden. Ein doppeltes Wunder.

Herr Wickop legt noch nach und berichtet von den Teppichen (Tapisserien), die er in Paris im Musée National du Mayen Âge besichtigt hat und auf denen auch Einhörner abgebildet sind. HERM ist  jetzt begeistert und will sofort eine Einhorn-Reisetour machen! HERM will auch nach Erfurt und Paris. Und am besten auch nach Grönland, wo die Narwale leben , die ja die eigentlichen Einhörner sind. Da, wo HERM dann vielleicht mit Glück Inuitfrauen und Mädchen treffen würde, die Wettbewerbe im Throat- Singen veranstalten. Die, die als Erste aus dem Takt kommt, weil sie lachen muss, hat verloren. (HERM könnte es dann auch mal versuchen….)

 

 

Die Teppiche, die im Musée National du Moyen Âge in Paris ausgestellt sind, wurden mit großer Wahrscheinlichkeit von der Familie La Viste aus Lyon am Ende des 15. Jahrhundert in Auftrag gegeben worden. Sie behandeln eher weltliche Themen, wie die Liebe zu Hofe und beschäftigen sich mit der Allegorie der 5 Sinne: dem Hören, Schmecken, Riechen, Sehen und Tasten. Die 6 Tapisserien zeigen unterschiedliche Szenen, bei denen eine junge Frau, ein Löwe und eine Einhorn im Mittelpunkt stehen.

HERM möchte jetzt von Herrn Wickop wissen, wie die Kunden und  Mitarbeiter auf den Zahn in der Vitrine reagieren.  Für was halten sie den Zahn, was wissen sie vom Narwal und dem Einhorn und den Zusammenhängen? Herr Wickop berichtet, dass gerade Schüler-Praktikanten das Einhorn eher als rosa Kuscheltier wahrnehmen und nicht wissen, dass der Mythos schon im alten Persien und dem Antiken Griechenland auftauchte. Auch in der Literatur, vor allem zu Zeiten der Romantik schrieben die Dichter vom Einhorn. HERM weiß jetzt dank Herrn Wickop mehr über den Einhorn-Mythos- und war ganz nah dran.

HERM sagt herzlich DANKE, Herr Wickop!

 

Quellenangaben: https://www.youtube.com/watch?v=F8qJ8DK6YzU Arte Die Dame mit Einhorn/ 09.2017, Hörisch, Jochen (Hrsg.), Das Tier, das es nicht gibt: eine Text und Bild- Collage über das Einhorn/ Paderborn: Fink, 2005. Bildmaterial : 1. Foto : Silke Hermann, 2. Foto: Günter Wickop aus dem Stadtarchiv Darmstadt 3.  Werbung eines Jagdkleidungsvertriebs 4. Zertifikat der Europäischen Gemeinschaft über den Schutz wild lebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels, im Privatbesitz Günter Wickop 5. Foto : Wal Tierchenwelt, 6. Foto: Günter Wickop, Triptychon Erfurther Dom, privat. 7. You Tube 8. Foto : Günter Wickop privat, Dame mit Einhorn, Musée National du Mayen Âge, Paris.