Wann und wie hast Du das Tanzen für Dich entdeckt?
Der Tanz hat mich entdeckt! Seit ich denken kann, habe ich getanzt. Innerhalb meiner Schauspiel-Ausbildung als 16-Jähriger, wurde ich aufgefordert das Tanzen zu pflegen.

Wie kamst Du dazu Schauspiel zu studieren?
Schauspiel hat mich schon ab dem  13. Lebensjahr fasziniert. Ich spielte im Hof unseres Hauses, mit meiner Schwester und anderen Freunden Theater mit selbsterfundene Handlungen. Im Alter von 16 entdeckte ich in der Innenstadt meiner Heimatstadt Buenos Aires ein Schild mit der Aufschrift  Aufnahme für neue Schauspiel-Kurse. Ich zögerte keine Sekunde und ließ mich unter falschem Name in eine Liste eintragen. Die erste Schauspielstunde war abends an einem feucht-kalten Wintertag. Nach dieser Stunde war mir klar, meine erste, wahre Liebe gefunden zu haben. Ich war wie besessen, und alles andere rutschte an zweite Stelle. Das ist bis heute so.

Weshalb hast Du Dich unter falschem Namen eingetragen?
Weil ich fürchtete, dass mein Vater nicht einverstanden wäre…ich war ja noch minderjährig. Er wünschte eine Universitäts-Karriere. Vor diesem Tag wollte ich Architektur studieren. Damit war mein Vater einverstanden. Theater war für ihn unsicher und stieß auf Vorurteile. Geschweige denn Tanz! Erst mit meinen Erfolgen als professioneller Tänzer, wurde er mein größter Verehrer!

Was bedeutet Tanz in Deinem Leben?
Es ist mein Lebensinhalt. Heute schreibe ich 54 Jahre Treue und Widmung an diese wunderschöne Kunst!

Hat es einen Wandel/ Veränderungen im Laufe Deines Lebens gegeben?
Ja, mehrere. Ich habe als 19-Jähriger meine erste große Reise mit dem Schiff von Süd-Amerika nach Europa gemacht. Es folgten weitere Reisen, und alle brachten Veränderungen. Die Sprachen lernen, neue Länder und Menschen brachten Neues in mein Leben und meinen Beruf als professioneller Tänzer.

Spielen die Orte, an denen Du gelebt hast eine Rolle für Dich als Tänzer?
Ein Ort ist für meinen Begriff etwas Physisches, das nicht mit meinem Tänzer- Leben zu vereinbaren ist.

Braucht nicht auch ein Tänzer manchmal festen Boden unter den Füßen? Wie sieht es da aus mit Familie, Freunden und Partnerschaften?
Das ist individuell. Nach Jahren des Nomadenlebens, entstand das Bedürfnis, eine ständige Bleibe zu haben. Die Bücher, die Musik und was man sammelt, braucht einen Platz… Das kam bei mir aber erst später. Die erste Zeit hat es mich sehr gereizt, in anderen Ländern an immer neue Theater zu gehen. Man gewöhnt sich daran, Freundschaften per Post zu pflegen, oder sich bei Gelegenheit zu treffen. Die Familie verwandelt sich in eine ewige Sehnsucht, man vermisst sie, man gewöhnt sich aber auch daran.
Partnerschaften waren für mich persönlich schwer zu pflegen. Das ist nicht einfach, wenn man eine irreguläre Arbeit hat. Das Bedürfnis allein zu sein, bringt Spannungen. Besonders, wenn der Partner oder die Partnerin wenig Künstlerisches im Sinn hat. Es gibt Ausnahmen, aber ich kenne sie bei mir nicht.

Gab es in Deinem beruflichen Leben als Tänzer Tiefpunkte, die Du beschreiben magst?
Ja gab es, aber zum Glück wenige! Ich war von Presse und Publikum als erster Solotänzer in Wiesbaden sehr verwöhnt. Ich ging nach Wuppertal und wurde Teil des Gründungs-Ensembles der Kompanie von Pina Bausch. Dort war ich ein Unbekannter. Das hat mein Ego verletzt, und ich begann an Depressionen zu leiden. Ich denke, dass ich emotional auf diesen großen Wechsel nicht gut genug vorbereitet war.

Was hätte besser laufen können?
Da zu bleiben, die Opfer zu bringen, die zu erwarten sind, wenn eine Kompanie neu und am Anfang ist.

Du bist dann zurück nach Wiesbaden. Wie ging es weiter?
Ich brauchte sehr lange, um zu überlegen, ob ich nach Wiesbaden zurückkomme. Ich habe andere Angeboten nach London und Köln abgelehnt. Hier in Wiesbaden haben die Ballettdirektion, der Intendant und die Presse unermüdlich den Wunsch geäußert, ich solle zurück kommen. Ich denke, dass die Gastspiele in Wiesbaden, während meiner Zeit in Wuppertal, sehr meine Rückkehr beeinflusst haben.

Außerdem bot man mir die Stelle als Balletdirektor in Wiesbaden an. Dort wagte ich Erneuerungen zu bringen, die dem Geschmack des bürgerlicher Publikums nicht entsprachen. Ich wurde von einem Teil der Presse und Publikum abgelehnt. Das war eine harte, aber nicht zuletzt interessante Erfahrung.

Gibt es Höhepunkte in Deinem Leben, die Dir besonders in Erinnerung sind?
Ja, viele: Rollen auf der Bühne, die mich beeinflusst haben und noch heute begleiten. Die Verleihung des von Thurn und Taxis- Förderpreis für meine Stück „Tango“. Manche meiner Reisen. Mein Studium in New York und in anderen Städten.

Wie war die Zeit in New York? Sind da noch Bilder, die hängengeblieben sind?
Ja, das erste Mal New York war eine der wertvollsten Erfahrungen meiner künstlerischen Laufbahn. Theater, Musicals, Museen, Tanzlehrer verschiedener Stillrichtungen… Die Metropole des Tanzes, der Kunst im Allgemeinen! Ich wiederholte dieses Abenteuer ein zweites Mal und verließ New York beide Male mit neuer Reife.

Welche Bedeutung hat die Vergangenheit in Deinem jetzigen Leben?
Ich schreibe seit langem an meinen Memoiren. Bilder, Filme, Briefe und nicht zuletzt, was ich in meinem Gedächtnis behalten habe, helfen mir, meine Gegenwart bewusster zu genießen. Persönlich habe ich keine Erlebnisse, die mir einen bitteren Geschmack hinterlassen haben. Ich verdanke meiner Vergangenheit viel, weil diese mir so eine bereichernde Gegenwart geschenkt hat.

Gibt es für Dich einen Unterschied innerhalb der Begriffe Tanz und Sport?
Tanz und Sport sind Verwandte mit ähnlichen Eigenschaften. Beide Disziplinen verlangen Rhythmus, Dynamik, Koordination. Dem Tanz fügt sich die Bindung zur Musik hinzu, die Darstellung, die Kreativität und der Abbau der Hemmungen. Der Tanz ist in gewissem Sinne freier und vielseitiger.

Du bist nicht nur Tänzer, Du unterrichtest Tanz. Was ist Dir wichtig, Deinen Schülerinnen und Schülern zu vermitteln?
Alles was ich gelernt und erforscht habe…  und noch lerne. Ich versuche sie zu motivieren, sich selbst zu erforschen, selbst zu entdecken….

Danke Gabriel
für
das Gespräch mit
HERM

Gabriel Sala und HERM haben das Interview schriftlich im Mail-Prozess geführt. Wenn Gabriel und HERM sich treffen, dann ist das zum Tanzen. HERM ist eine von Gabriels Schülerinnen im Bereich Modern. Antje Kutter, Psychotherapeutin und ebenfalls Schülerin bei Gabriel war MIT DABEI  die Fragen an Gabriel Sala zu formulieren.
(Foto: Gabriel Sala, privat)